Datumsangaben in Kirchenbüchern

Der 30. Februar 1712

Stellen Sie sich vor, Sie blättern durch ein altes Kirchenbuch und stoßen auf eine verblüffende Entdeckung: Ein Ehepaar hat seine Hochzeit am 30. Februar 1712 gefeiert. Ihr erster Gedanke ist womöglich, dass es sich um ein Schaltjahr handelt. Mit dem zweiten Gedanken dürfte die Verwirrung folgen – 30. Februar?

Datumsangaben in Kirchenbüchern sind von zentraler Bedeutung, da sie den zeitlichen Rahmen für Geburten, Taufen, Hochzeiten und Todesfälle liefern. In der Regel sind die Datumsangaben auch eindeutig und je näher die Kirchenbücher an der Gegenwart datieren, umso leichter sind die Datumsangaben zu lesen und zu interpretieren. Gelegentlich kann das Entziffern und Interpretieren dieser Daten aber auch zu einer anspruchsvollen Detektivarbeit werden, insbesondere wenn man mit unterschiedlichen Kalendersystemen, Schreibweisen und historischen Kontexten konfrontiert ist.

In diesem Beitrag werden einige Besonderheiten bei Datumsangaben, die in Kirchenbüchern gefunden werden können, vorgestellt.

Was gilt – Julianischer oder Gregorianischer Kalender?

Die Umstellung vom Julianischen auf den Gregorianischen Kalender ist eine der wichtigsten Besonderheiten bei Zeitangaben in Kirchenbüchern. Der Julianische Kalender, der im Jahr 45 v. Chr. von Julius Caesar eingeführt wurde, basierte auf einem Jahr von 365,25 Tagen. Dies führte zu einer Diskrepanz von etwa 11 Minuten pro Jahr im Vergleich zur tatsächlichen Länge des Sonnenjahres. Über die Jahrhunderte entstand so eine zunehmende Verschiebung des Kalenders im Vergleich zu den astronomischen Ereignissen wie den Sonnenwenden und Tag- und Nachtgleichen.

Um diese Diskrepanz zu korrigieren, führte Papst Gregor XIII. im Jahr 1582 den Gregorianischen Kalender ein. Dieser Kalender reduzierte die Anzahl der Schaltjahre, indem er vorschrieb, dass Jahre, die durch 100 teilbar sind, aber nicht durch 400, keine Schaltjahre sind. Durch diese Korrektur näherte sich der Gregorianische Kalender der tatsächlichen Länge des Sonnenjahres viel genauer an.

Die Umstellung auf den Gregorianischen Kalender erfolgte jedoch nicht überall gleichzeitig. Während einige Länder, wie z. B. Italien und Spanien, bereits 1582 den neuen Kalender übernahmen, wechselten andere Länder erst später oder sogar erst im 20. Jahrhundert (z. B. Sowjetrussland 1918 und Griechenland 1923). In den protestantischen Ländern des Heiligen Römischen Reichs fand die Umstellung erst im Jahr 1700 statt. In Schweden (und nur dort), wo der Wechsel von 1700 bis 1753 in einem mehrstufigen Prozess erfolgte, kam es so zum eingangs erwähnten 30. Februar 1712.1

Durch diese unterschiedlichen Umstellungszeiten ergeben sich bei der Interpretation von Zeitangaben in Kirchenbüchern Herausforderungen. Beispielsweise könnte ein Ereignis, das am 16. Oktober 1583 im Gregorianischen Kalender im Hochstift Regensburg stattfand, im Julianischen Kalender in einem protestantischen Territorium am 6. Oktober 1583 datiert sein.

Um solche Zeitangaben korrekt zu interpretieren, muss man sowohl das verwendete Kalendersystem als auch das Umstellungsdatum des jeweiligen Landes/Territoriums berücksichtigen.

Abkürzungen und lateinische Begriffe

Die Verwendung von lateinischen Begriffen und Abkürzungen war insbesondere in römisch-katholischen Kirchenbüchern weit verbreitet, da Latein als Sprache der Gelehrten und der Kirche galt. Die dort verwendeten Begriffe betreffen häufig Datumsangaben, aber auch die Bezeichnung von Personen und Ereignissen. Um die Einträge in Kirchenbüchern korrekt zu interpretieren, ist es wichtig, diese Begriffe und Abkürzungen zu kennen und zu verstehen. Im Folgenden sind 15 Beispiele für gängige lateinische Begriffe und Abkürzungen zusammengetragen, die in Kirchenbüchern zu finden sind:

1. Anno Domini (A. D.): Im Jahr des Herrn; bezieht sich auf die Jahreszahl nach der Geburt Christi.

2. Anno Mundi (A. M.): Im Jahr der Welt; bezieht sich auf die Jahreszahl seit der Erschaffung der Welt nach biblischer Chronologie.

3. ante diem (a. d.): vor dem Tag; zur Angabe von Tagen vor einem bestimmten Datum oder Ereignis.

4. kalendae (kal.): der erste Tag eines Monats; z. B. „kal. Jan.“ für den 1. Januar.

5. nonae (non.): Der fünfte oder der siebte Tag eines Monats, abhängig vom Monat (fünfter Tag in Januar, Februar, April, Juni, August, September, November und Dezember; siebter Tag in März, Mai, Juli und Oktober).

6. idus (id.): der 13. oder 15. Tag eines Monats, je nach Monat; z. B. „id. Apr.“ für den 13. April.

7. feria (fer.): oft in Verbindung mit einer Ordnungszahl verwendet, um den Wochentag anzugeben (z. B. „fer. secunda“ für Montag, „fer. tertia“ für Dienstag)

8. octava (oct.): Oktav; zur Angabe von Tagen innerhalb einer Oktav (8-tägiger Zeitraum) nach einem Fest, z. B. „oct. Paschae“ für den Osteroktav.

9. vigilia (vig.): Vigil; zur Angabe von Tagen unmittelbar vor einem Fest, z. B. „vig. Nativitatis“ für den Tag vor Weihnachten.

10. infra octavam (infra oct.): innerhalb der Oktav; zur Angabe von Tagen innerhalb einer Oktav nach einem Fest, z. B. „infra oct. Ascensionis“ für einen Tag innerhalb der Oktav nach Christi Himmelfahrt.

11. post festum (p. f.): nach dem Fest; zur Angabe von Tagen nach einem bestimmten Fest, z.B. „p. f. Epiphaniae“ für den Tag nach Epiphanias.

12. in festo (in fest.): am Fest; zur Angabe von Tagen am Tag eines bestimmten Festes, z. B. „in fest. Annuntiationis“ für den Tag der Verkündigung.

13. per annum (p. a.): während des Jahres; zur Angabe von Tagen, die nicht in einem speziellen Festzeitraum liegen.

14. mensis (m.): Monat; zur Bezeichnung von Monatsangaben im Kirchenbuch, z. B. „m. Januarius“ für Januar, „m. Februarius“ für Februar.

15. hebdomada (hebd.): Woche; zur Angabe von Wochen im Kirchenbuch, z. B. „hebd. tertia post Pascha“ für die dritte Woche nach Ostern.

Diese Liste stellt nur eine kleine Auswahl von lateinischen Begriffen und Abkürzungen dar, die in Kirchenbüchern auftreten können.

Kirchenjahreszyklus

Der Kirchenjahreszyklus ist ein grundlegendes Element der christlichen Liturgie und hatte einen starken Einfluss auf die Art und Weise, wie Zeit und Daten in Kirchenbüchern erfasst wurden. In der Vergangenheit wurden Daten häufig in Bezug auf wichtige religiöse Feiertage und Festzeiten angegeben, und viele dieser Bezeichnungen sind in lateinischer Sprache verfasst. Um diese Datumsangaben korrekt zu interpretieren, ist es wichtig, die Bedeutung der verschiedenen Begriffe und Abkürzungen zu kennen und zu verstehen, wie sie sich auf den Kirchenjahreszyklus beziehen.

Hier sind einige Beispiele:

1. Adventus (Adv.): Advent; die Zeit der Vorbereitung auf Weihnachten, beginnend vier Sonntage vor dem Fest.

2. Nativitas Domini (Nativ. D.): Weihnachten; die Geburt Christi, gefeiert am 25. Dezember.

3. Epiphania (Epiph.): Erscheinung des Herrn; das Fest der Offenbarung Christi an die Welt, gefeiert am 6. Januar.

4. Quadragesima (Quad.): Fastenzeit; die 40-tägige Vorbereitungszeit vor Ostern, beginnend am Aschermittwoch.

5. Pascha (Pasch.): Ostern; das Fest der Auferstehung Christi, gefeiert am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond, der auf oder nach dem 21. März auftritt.

6. Ascensio Domini (Asc. D.): Christi Himmelfahrt; das Fest der Aufnahme Christi in den Himmel, gefeiert 40 Tage nach Ostern.

7. Pentecostes (Pentec.): Pfingsten; das Fest des Heiligen Geistes, gefeiert 50 Tage nach Ostern.

8. Trinitatis (Trin.): Dreifaltigkeitssonntag; das Fest der Heiligen Dreifaltigkeit, gefeiert am Sonntag nach Pfingsten.

9. Corpus Christi (Corp. Chr.): Fronleichnam; das Fest des Leibes und Blutes Christi, gefeiert am Donnerstag nach dem Dreifaltigkeitssonntag.

10. Assumptio Mariae (Ass. M.): Mariä Himmelfahrt; das Fest der Aufnahme Marias in den Himmel, gefeiert am 15. August.

11. Festum Omnium Sanctorum (Om. Sanct.): Allerheiligen; das Fest aller Heiligen, gefeiert am 1. November.

12. Festum Omnium Fidelium Defunctorum (Def. Fid.): Allerseelen; das Gedenken aller Verstorbenen, gefeiert am 2. November.

13. Adventus S. Nicolai (Adv. S. Nic.): Nikolaustag; das Fest des Heiligen Nikolaus, gefeiert am 6. Dezember.

14. Festum Sanctae Familiae (Sanct. Fam.): Fest der Heiligen Familie; üblicherweise gefeiert am Sonntag nach Weihnachten oder am 30. Dezember, wenn dieser Tag ein Sonntag ist.

15. Tempus per Annum (Temp. p. Annum): Die sogenannte „Jahreszeit im Jahreskreis“ oder „Ordentliche Zeit“; die Zeit im Kirchenjahr, die nicht von den Hauptfestzeiten wie Advent, Weihnachtszeit, Fastenzeit, Osterzeit oder anderen Festen geprägt ist. Die Sonntage werden hier oft als „Sonntage nach Epiphanie“ oder „Sonntage nach Trinitatis“ bezeichnet.

Doppelte Jahresangaben – ja was denn nun?

Ein interessantes Phänomen, das sich gelegentlich in Kirchenbüchern findet, sind doppelte Jahresangaben. Dieser Umstand ist auf den eingangs schon erwähnten gregorianischen Kalender zurückzuführen, der 1582 von Papst Gregor XIII. eingeführt wurde. Dieser ersetzte den zuvor verwendeten julianischen Kalender. Die Umstellung auf den gregorianischen Kalender führte zu einer Verschiebung von zunächst zehn Tagen und später, im Jahr 1700, zu einer weiteren Verschiebung von elf Tagen. Da nicht alle Länder und Regionen gleichzeitig den neuen Kalender übernahmen, entstanden Inkonsistenzen und Unsicherheiten bei der Datierung von Ereignissen.

Doppelte Jahresangaben sind ein Versuch, diesen Inkonsistenzen Rechnung zu tragen, indem sowohl das Jahr „alten Stils“ (nach dem julianischen Kalender), als auch das Jahr „neuen Stils“ (nach dem gregorianischen Kalender) angegeben werden. In vielen Fällen erstreckt sich der Zeitraum des „alten Stils“ vom 1. Januar bis zum 24. März, während der „neue Stil“ am 25. März beginnt und bis zum 31. Dezember fortgesetzt wird.

Ein Beispiel für eine doppelte Datumsangabe aus einem Traueintrag könnte lauten: „den 12/22. Januar 1649/50“. In diesem Fall fand die Trauung am 12. Januar 1649 nach dem julianischen Kalender und am 22. Januar 1650 nach gregorianischem Kalender statt.

Es ist daher wichtig, bei der Arbeit mit Kirchenbüchern auf doppelte Datumsangaben zu achten und den Kontext der Datierung zu berücksichtigen. Die Kenntnis der Unterschiede zwischen dem julianischen und dem gregorianischen Kalender sowie der historischen Umstände, die zu diesen Unterschieden geführt haben, ist entscheidend für die korrekte Rekonstruktion von Ereignissen und Familienverbindungen.

Doppelte Jahresangaben sind ein faszinierendes Zeugnis für die Komplexität der Kalendergeschichte und die Herausforderungen, die Historiker und Genealogen bei der Arbeit mit historischen Dokumenten wie Kirchenbüchern bewältigen müssen.

Ungenaue oder fehlende Zeitangaben

Schließlich stoßen Forscher bei der Arbeit mit Kirchenbüchern häufig auch auf ungenaue oder gar fehlende Zeitangaben. Solche Unklarheiten können aus verschiedenen Gründen entstehen und stellen eine besondere Herausforderung für Historiker und Genealogen dar.

Der wohl häufigste Grund für ungenaue oder fehlende Zeitangaben ist schlicht und ergreifend der Autor selbst: Schreibfehler, nachlässige Buchführung oder der Verlust von Aufzeichnungen können dazu führen, dass Daten unvollständig oder inkorrekt sind. Zum Beispiel könnte ein Pfarrer vergessen haben, das genaue Datum einer Taufe oder Trauung einzutragen und stattdessen nur den Monat und das Jahr notiert haben: „getauft im Juli 1743“ oder „getraut im Februar 1801“. Die Eintragungen in den Kirchenbüchern wurden häufig nicht direkt während oder nach der jeweiligen Zeremonie vorgenommen, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt. In Fällen, in denen nur ungenaue Daten vorliegen, müssen Forscher möglicherweise auf andere Quellen zurückgreifen, um fehlende Informationen zu ergänzen oder Ungenauigkeiten zu klären. Hilfreich ist es hier, auch die umliegenden Einträge heranzuziehen. Häufig lassen sich so Zeiträume eingrenzen.

Ein weiterer Grund für ungenaue Zeitangaben können kulturelle Praktiken oder lokale Gebräuche sein. In einigen Regionen oder zu bestimmten Zeiten war es üblich, Ereignisse nicht nach dem tatsächlichen Datum, sondern in Bezug auf den Namenstag des Heiligen, der an diesem Tag gefeiert wurde, oder auf lokale Feste und Bräuche zu datieren: Ist eine Heirat als „getraut am Tag des Heiligen Georg“ verzeichnet, verweist dies auf den 23. April; „geboren am Tag nach Allerheiligen“ deutet auf den 2. November hin. Die Kenntnis solcher kulturellen Praktiken und Bräuche kann helfen, diese auf den ersten Blick ungenauen Zeitangaben zu entschlüsseln und ein genaueres Bild der Ereignisse zu erhalten.

Schließlich können ungenaue oder fehlende Zeitangaben auch auf höhere Gewalt zurückzuführen sein, wie zum Beispiel Kriege, Naturkatastrophen oder politische Umwälzungen. Häufig wurden dadurch Aufzeichnungen zerstört oder gingen verlustig. In solchen Fällen kann es schwierig oder sogar unmöglich sein, genaue Daten für bestimmte Ereignisse oder Personen zu rekonstruieren.

Die Arbeit mit ungenauen oder fehlenden Zeitangaben in Kirchenbüchern erfordert Geduld, Sorgfalt und kreatives Denken. Forscher müssen sich häufig auf ihre Kenntnisse der Geschichte, Kultur und Sprache der jeweiligen Region sowie auf andere verfügbare Quellen stützen, um die Lücken in den Aufzeichnungen zu schließen und ein möglichst genaues Bild der Vergangenheit zu zeichnen. In gewisser Weise ist dies eine Art detektivischer Arbeit, bei der jeder kleine Hinweis und jede Information von entscheidender Bedeutung sein kann, um das Rätsel der Vergangenheit zu lösen und die Geschichten unserer Vorfahren zum Leben zu erwecken.

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